Mit flammenden Appellen an die EU-Kommission, die Regulierung der Telekommunikationsbranche zu lockern, ist am Montagmorgen die Mobilfunkmesse MWC Barcelona eröffnet worden. Fragmentierung, Überregulierung und schmale Renditen führten dazu, dass die Branche in Europa zurückfalle, warnte der neue Telefónica-CEO Marc Murtra zum Auftakt der Messe in Barcelona. "In anderen Regionen wie den USA, dem Nahen Osten oder Asien ist dies nicht der Fall."
"Es ist an der Zeit, den großen europäischen Telekommunikationsunternehmen zu erlauben, sich zu konsolidieren und zu wachsen", sagte Murtra an die Adresse der europäischen Regierungen und der Brüsseler Regulierer. "Dies kann die strategische Autonomie Europas stärken, Produktivität freisetzen und das Leben der Menschen verbessern." Anderenfalls werde Europas globale Rolle weiter schwinden und "wir werden nicht in der Lage sein, unsere Zukunft eigenständig zu gestalten".
Teures Spektrum
Die Mobilfunknetzbetreiber blicken auf zwei Jahrzehnte zurück, in denen die schneller werdende technische Entwicklung immer neue Investitionen in die Netze erforderte - die teuren ersten UMTS-Auktionen sind jetzt 25 Jahre her, die Technik ist in Europa schon wieder auf dem Rückzug. Seither haben die Netzbetreiber wiederholt viel Geld für Frequenznutzungsrechte in die Hand nehmen müssen.
Doch trotz wachsender Kundenzahlen in den Netzen klagen die Unternehmen über stagnierende Umsätze und Margen. Der Spielraum zwischen Investitionsvolumen und Umsatz wird immer enger, betont Mats Granryd, Generaldirektor des Netzbetreiberverbands GSMA und Veranstalter des MWC: "Das ist nicht nachhaltig und muss sich ändern. Auch benötigen wir mehr Spektrum, das ist unser Sauerstoff."
"Die durchschnittliche Wachstumsrate in unserer Branche liegt bei nur zwei Prozent", sagt Sunil Mittal, CEO von Bharti Airtel. "Und die Rendite für das eingesetzte Kapital liegt bei vier Prozent. Da könnten wir das Geld besser auf die Bank bringen und ein bisschen Golf spielen."
Einen Ausweg sieht die Branche in grenzüberschreitenden Fusionen zur "europäischen Champions", die neue Skaleneffekte ermöglichen könnten. Doch bisher hat sich Brüssel dem verweigert und achtet darauf, dass in den Mitgliedsstaaten mindestens drei oder vier Netzbetreiber im gesunden Wettbewerb stehen.
"Wie viel Infrastruktur brauchen wir eigentlich?", fragt Mittal. "Natürlich muss man für Wettbewerb sorgen. Wettbewerb ist ein Glaubenssatz für jeden Regulierer, jede Regierung – und selbst für uns in der Branche. Aber man muss auch Konsolidierung zulassen."
Draghis Empfehlungen
Die Bestandsaufnahme der EU-Wirtschaft, die Ex-EZB-Chef Mario Draghi im Herbst 2024 abgeliefert hat, ist in der Telekommunikationsbranche aufmerksam gelesen worden. Brüsseler Politiker, die sich in Barcelona angesagt haben, werden sich auf kritische Gespräche einstellen müssen – auch wenn viele davon hinter geschlossenen Türen stattfinden werden.
Draghi hatte die Brüsseler Regulierung als einen der Faktoren ausgemacht, die Europas Wettbewerbsfähigkeit schaden. Mit ihrer starken, an den Bedürfnissen der Verbraucher orientierten Regulierung gilt die EU auch in der Branche als Bremser.
Draghi hatte sich dabei auch offen gezeigt für die Idee, die amerikanischen Online-Riesen an den Netzkosten zu beteiligen. Obwohl sich Binnenmarktkommissar Thierry Breton in der vorherigen EU-Kommission massiv dafür eingesetzt hatte, hat Brüssel der Branche diesen Wunsch bisher nicht erfüllt. Und so werden die Netzbetreiber auch 2025 das alte Lied anstimmen, das sie schon seit über einer Dekade auf dem MWC singen.